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Reflexübersicht

Frühkindliche Reflexe haben einen großen Einfluss auf die psychomotorische Entwicklung eines Kindes.

Die durch diese Reflexe ausgelösten Bewegungen fördern die Bildung eines dichten neuronalen Netzwerks, das die Verbindung verschiedener Gehirnareale ermöglicht. Diese Verbindungen sind entscheidend für zukünftige Lernprozesse, Kommunikationsfähigkeiten, emotionale und soziale Beziehungen sowie für die Motivation.

Sie stimulieren somit das Großhirn (Endhirn), das nach und nach die Kontrolle übernimmt und die frühkindlichen Reflexe hemmt.

Wenn diese Reflexe jedoch nicht rechtzeitig gehemmt (inhibiert) werden, können sie sich kontraproduktiv auf die neurologische Entwicklung auswirken. In diesem Fall spricht man von persistierenden frühkindlichen Reflexen.

Bleibt ein einzelner Reflex in geringem Maß bestehen, kann er sich mit der Zeit möglicherweise von selbst zurückbilden. Wenn jedoch mehrere Reflexe – oder stark ausgeprägte – weiterhin aktiv sind, gelingt die Hemmung nicht von selbst. Genau hier setzt die Methode Neuro-Developmental Stimulation, NDS Active Learning® an.

 

Unten finden Sie eine Übersicht über die wichtigsten frühkindlichen Reflexe.

Wenn diese Reflexe nicht verschwinden, behindern sie die Entwicklung höher entwickelter Haltungsreflexe und koordinierter Bewegungsmuster.

Mor

Moro-Reflex

 

Bereits während der Schwangerschaft unterstützt der Moro-Reflex die Entwicklung des Atemmechanismus.

Unmittelbar nach der Geburt hilft er dem Neugeborenen beim ersten Atemzug, indem er bei drohender Erstickung die Atemwege öffnet – er trägt also zum Überleben des Kindes bei.

Der Moro-Reflex ist eine Schreckreaktion: Ein Neugeborenes ist noch nicht in der Lage, einen Reiz richtig zu analysieren und einzuschätzen, ob er gefährlich ist oder nicht. Deshalb wird der Reflex automatisch vom Hirnstamm ausgelöst.

Dabei streckt das Baby ruckartig die Arme zur Seite, es werden Adrenalin und Kortisol freigesetzt. Dies führt zu einer vertieften Atmung in den oberen Lungenabschnitten, einem beschleunigten Herzschlag, einem Anstieg des Blutdrucks und zu einer Rötung der Haut. Das Baby beginnt zu weinen – und zieht dadurch automatisch die Aufmerksamkeit eines Erwachsenen auf sich.

Der Moro-Reflex hat auch einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Augenbewegungen, die Kontrolle der Augenmuskulatur und das Gleichgewichtssystem.

Der Moro-Reflex ist also am Lebensanfang von großer Bedeutung – muss jedoch im weiteren Verlauf gehemmt (inhibiert) werden.

Wie lange der Reflex aktiv bleibt, ist unterschiedlich beschrieben:
Einige Autoren gehen davon aus, dass er bis zum dritten Lebensmonat aktiv ist, andere halten ihn bis zum sechsten Monat für normal.

Häufige Symptome eines persistierenden Moro-Reflexes:

  • Konzentrationsstörungen – Hyperaktivität (ADHS) oder im Gegenteil Hypoaktivität (ADS)

  • Autismus-ähnliche Symptome (sozialer Rückzug, kein Blickkontakt, Überempfindlichkeit auf Berührung, Licht oder Geräusche)

  • Lichtempfindlichkeit, Schwierigkeiten beim Lesen schwarzer Buchstaben auf weißem Hintergrund (visueller Stress)

  • Allergien

  • Burnout-Symptome

  • Schwaches Immunsystem, häufige HNO-Infektionen

  • „Stimulus-bound“-Verhalten – Reize können schlecht ausgefiltert werden, Konzentrationsprobleme

  • Aggressives Verhalten

  • Emotionale Labilität

  • Mag keine Überraschungen

  • Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Augenbewegungen

  • Verzögerte Sprachentwicklung

  • Eingeschränkter Gleichgewichtssinn

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Asymmetrischer tonischer Nackenreflex (ATNR)

Der asymmetrische tonische Nackenreflex (ATNR) wird aktiviert, wenn der Kopf zur einen oder anderen Seite gedreht wird. In die Richtung, in die der Kopf gedreht wird, strecken sich Arm und Bein; auf der gegenüberliegenden Seite ziehen sich Arm und Bein zusammen.

Bereits in der Schwangerschaft unterstützt der ATNR die Entwicklung des Muskeltonus und hilft bei der Stimulation des Gleichgewichtssystems.

Während der Geburt spielt der ATNR eine besonders wichtige Rolle: In der zweiten Geburtsphase muss das Kind sich im Rhythmus der Wehen durch einen spezifischen, drehenden Bewegungsablauf seinen Weg nach unten bahnen.

Die aktive Mitwirkung des Kindes während der Geburt hängt wesentlich von einem gut entwickelten ATNR ab. Gleichzeitig wird durch den Geburtsvorgang nicht nur der ATNR, sondern auch andere frühkindliche Reflexe stimuliert – was für die ersten Lebensmonate besonders wichtig ist.

Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, haben daher oft einen Nachteil in dieser Hinsicht.

In den ersten Lebensmonaten verhindert der ATNR, dass ein Baby mit dem Gesicht nach unten auf dem Bauch liegen bleibt (Erstickungsgefahr). Außerdem fördert er die erste Hand-Auge-Koordination und beeinflusst die Entwicklung der Lateralität.

Häufige Symptome eines persistierenden ATNR:

  • Schwierigkeiten bei der Hand-Auge-Koordination

  • Probleme beim Schreiben, da die Handbewegungen schwer zu kontrollieren sind

  • Schwache Zusammenarbeit der beiden Gehirnhälften

  • Schwierigkeiten, die Hand über die Körpermitte zu führen – z. B. Probleme beim Schreiben auf der linken Seite des Papiers mit der rechten Hand

  • Unstimmigkeiten zwischen gesprochenem und geschriebenem Ausdruck

  • Probleme bei der Entwicklung seitlicher Augenbewegungen – etwa beim Zeilenlesen, notwendig für Lesen und Schreiben

  • Eingeschränkte automatische Gleichgewichtskontrolle

  • Beeinträchtigte bilaterale Integration – also die Fähigkeit, beide Körperhälften unabhängig voneinander zu nutzen

  • Persistierende oder unklare Lateralität – z. B. bevorzugt das Kind auch nach dem 8. Lebensjahr keine bestimmte Hand beim Schreiben

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Tonic

Tonischer Labyrinthreflex (TLR)

Der tonische Labyrinthreflex (TLR) ist eine Reflexreaktion, die durch eine Veränderung der Kopfhaltung in Vorwärts- oder Rückwärtsrichtung ausgelöst wird. Wird der Kopf eines Kindes nach hinten gebeugt, erhöht sich der Muskeltonus der Streckmuskulatur im ganzen Körper – das Kind streckt sich. Wird der Kopf nach vorne geneigt, erhöht sich der Tonus der Beugemuskulatur, die Gliedmaßen ziehen sich zusammen und das Kind nimmt eine typische Position wie im Mutterleib ein.

Der TLR hilft dem Kind, sich der Schwerkraft anzupassen, besonders in der Zeit, in der es den Kopf und Nacken noch nicht selbstständig aufrecht halten kann. Schon nach etwa sechs Wochen lernt das Kind in der Bauchlage, den Kopf in einer Linie mit der Wirbelsäule zu halten – das ist der erste Schritt zur vollständigen Kontrolle der Nackenmuskulatur.

In der Folge lernt das Kind, den Muskeltonus von oben nach unten (cephalokaudal) zu regulieren – vom Kopf über den Oberkörper und Unterkörper bis zu den Füßen. Diese Fähigkeit ist entscheidend für späteres Gleichgewicht, aufrechten Stand und koordinierte Bewegungen. Die Entwicklung der Grobmotorik wird wesentlich vom TLR beeinflusst.

Für ein Kind mit einem persistierenden TLR ist es extrem schwierig, auf allen Vieren zu krabbeln – denn die Streckung des Kopfes führt gleichzeitig zur Streckung der Beine. Doch Krabbeln und Robben sind sehr wichtig für die Entwicklung der Hand-Auge-Koordination und für die Integration sensorischer Informationen aus verschiedenen Sinnesorganen.

Häufige Symptome eines persistierenden TLR:

  • Schwache Grobmotorik

  • Eingeschränkte Bewegungskoordination

  • Das Kind stützt den Kopf beim Schreiben ab oder legt den Kopf mit dem Gesicht auf den Tisch

  • Sitzt auf einem Stuhl mit den Fersen unter dem Gesäß

  • Niedriger Muskeltonus (schlaffe Haltung)

  • Erhöhter Muskeltonus – geht auf Zehenspitzen oder wedelt mit den Armen, wenn es aufgeregt oder fröhlich ist

  • Schwierigkeiten beim schnellen Wechsel des Blickfokus zwischen Nähe und Ferne – z. B. beim Abschreiben von der Tafel

Gala

Galant-Reflex

Die Funktion des spinalen Galant-Reflexes besteht – ähnlich wie beim ATNR – darin, während der Geburt zu helfen. Während der Wehen übt die Gebärmutterwand Druck auf den Rumpf des Babys aus, wodurch dieser Reflex aktiviert wird.

Die Hüften des Babys gewinnen dadurch an Beweglichkeit, was ihm ermöglicht, sich durch den Geburtskanal zu drehen.

 

Bleibt der Reflex jedoch bestehen, sind Kinder oft überempfindlich im Lendenbereich, was die Entwicklung von posturalen Reflexen behindert.

Häufige Symptome eines persistierenden Galant-Reflexes:

  • Übermäßige Empfindlichkeit im unteren Rückenbereich

  • Bettnässen (Enuresis)

  • Skoliose

  • Eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit

Palm

Palmar-Reflex

Die Feinmotorik wird wesentlich durch den Palmar-Reflex beeinflusst. Durch diesen Reflex umschließen Babys automatisch mit den Fingern alles, was ihnen in die Handfläche gelegt wird. Der Griff ist oft überraschend stark – ein Neugeborenes kann sich an den Fingern sogar kurzzeitig festhalten. Der Reflex sollte verschwinden, sobald das Kind beginnt, aktiv nach Dingen zu greifen.

In den ersten Lebensmonaten besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Palmar-Reflex und dem Saugreflex. Der Palmar-Reflex zeigt sich auch beim Stillen: Das Baby öffnet und schließt dabei reflektorisch die Handfläche – wie beim Kneten eines Teiges. Diese Verbindung wird auch als Babkin-Reflex bezeichnet. Umgekehrt gilt dies ebenso: Beim Schreiben beispielsweise sieht man oft, dass ein Kind, das sich stark auf eine manuelle Aufgabe konzentriert, beginnt, den Mund oder die Zunge zu bewegen.

Häufige Symptome eines persistierenden Palmar-Reflexes:

  • Schwache Feinmotorik

  • Eingeschränkte Grafomotorik (z. B. unleserliches oder verkrampftes Schreiben)

  • Sprachliche Artikulationsprobleme

  • Überempfindliche Handflächen – das Kind mag bestimmte Materialien (z. B. Sand, Knete, Fingerfarben) nicht berühren oder sucht sie im Gegenteil übermäßig häufig auf

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Such- und Saugreflex

Der Such- und der Saugreflex sind für das Überleben des Neugeborenen entscheidend, da sie die Nahrungsaufnahme ermöglichen.

Der Suchreflex bewirkt, dass das Baby den Kopf dreht, den Mund öffnet und nach einer Nahrungsquelle sucht, sobald seine Wange berührt wird – deshalb sollte man beim Stillen möglichst nicht die Wange des Kindes berühren. Bei einem persistierenden Saugreflex bleibt die Zunge zu weit vorne im Mund liegen – meist flach auf dem Mundboden. Dies wirkt manchmal so, als hätte das Kind vergrößerte Rachenmandeln, denn es hält den Mund oft offen und atmet durch den Mund. Der fortbestehende Saugreflex beeinflusst auch die Kopfhaltung – viele betroffene Kinder schieben den Kopf sichtbar nach vorne.

 

Wenn die Zunge zu weit vorne liegt, ist sie schwer kontrollierbar.
Das führt häufig zu Sprach- und Schluckproblemen, vermehrtem Speichelfluss, einer ungenügenden Koordination von Atmung und Sprache und der Unfähigkeit, beim Essen den Mund geschlossen zu halten.

Auch wenn der Reflex später gehemmt wird und sich die Zungenlage verbessert, muss die Zungenmuskulatur gezielt gestärkt werden – denn sie ist meist geschwächt.

 

Häufige Symptome eines persistierenden Such- und Saugreflexes:

  • Zunge liegt zu weit vorne (sie „guckt“ aus dem Mund), was Kauen und Schlucken erschwert, das Kind speichelt

  • Sprach- und Artikulationsstörungen

  • Schlechte Feinmotorik

  • Überempfindlichkeit im oralen Bereich (um den Mund herum)

  • Ständiges orales Bedürfnis – das Kind kaut oder saugt ständig an etwas (Daumen, Haare, Stifte, Kleidung, Kragen usw.)

  • Ablehnung bestimmter Lebensmittelkonsistenzen

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Landau-reflex

Der Landau-Reflex tritt etwa zwischen dem 3. und 10. Lebensmonat des Kindes auf und wird normalerweise bis zum 3. Lebensjahr gehemmt – daher zählt man ihn gelegentlich zu den sogenannten Übergangsreflexen. Hebt man das Kind bauchwärts mit beiden Händen unter der Brust an, reagiert es mit einer leichten Streckbewegung des Körpers (es „wölbt“ sich). Bei erhöhtem Muskeltonus (Hypertonie) fällt diese Streckung übermäßig stark aus. Bei niedrigem Muskeltonus (Hypotonie) hingegen „sackt“ das Kind in sich zusammen – es hängt wie um die Hände herum. Dieser Reflex unterstützt die Entwicklung des Muskeltonus und hilft dem Kind, in Bauchlage den Kopf anzuheben. Darüber hinaus trägt der Landau-Reflex zur Hemmung des tonischen Labyrinthreflexes (TLR) bei. So lernt das Kind, nicht nur den Kopf, sondern auch die Brust vom Boden abzuheben – eine wichtige Voraussetzung für komplexere, gleichzeitige Bewegungen von Armen und Beinen.

Typische Anzeichen eines fortbestehenden Landau-Reflexes:

  • Schwierigkeiten mit schnellen, wechselnden und komplexen Bewegungen, wie etwa:

  • Laufen

  • Hüpfen auf einem Bein

  • Beidbeiniges Springen

  • Fahrradfahren

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Symmetrischer tonischer Nackenreflex (STNR)

Der STNR entwickelt sich kurz bevor ein Kind mit dem Krabbeln beginnt – deshalb wird er oft den Übergangsreflexen zugeordnet. Der STNR hilft dabei, den tonischen Labyrinthreflex (TLR) auf Höhe des Beckens zu hemmen – also den Körper so zu organisieren, dass die beiden Körperhälften unabhängig voneinander bewegt werden können. Der Reflex bewirkt, dass die untere Körperhälfte automatisch das Gegenteil dessen macht, was die obere Hälfte tut. In dieser Entwicklungsphase hilft der STNR dem Kind, vom Liegen in den Fersensitz zu kommen – als Vorbereitung auf das Krabbeln.

Kinder mit einem persistierenden STNR haben oft eine schlechte Koordination zwischen der oberen und unteren Körperhälfte.

Im Unterricht sitzen sie häufig in sich zusammengesunken auf dem Stuhl – am Ende der Schulstunde liegt der Kopf oft fast auf der Tischplatte.

Diese Kinder sitzen auch gerne auf einem oder beiden Beinen oder „hängen“ halb auf dem Stuhl. Eine weitere typische Sitzhaltung ist der sogenannte W-Sitz – das Kind sitzt auf dem Boden mit dem Gesäß zwischen den Fersen. Auch das Schwimmenlernen fällt diesen Kindern oft schwerer.

Häufige Symptome eines persistierenden STNR:

  • Krabbelphase übersprungen – das Kind beginnt lieber direkt zu laufen

  • Schwache Koordination zwischen Ober- und Unterkörper

  • Tendenz, im Unterricht „zusammenzusinken“ – am Ende der Stunde liegt der Kopf fast auf dem Tisch

  • Probleme, den Blick schnell zwischen Nah- und Fernsicht zu wechseln (z. B. beim Abschreiben von der Tafel)

  • Sitzt oft auf einem oder beiden Beinen, „hängt“ auf dem Stuhl oder legt den Oberkörper auf den Tisch

  • Konzentrationsprobleme beim langen Sitzen in derselben Position

  • Lernt Schwimmen nur schwer – bevorzugt unter Wasser zu tauchen, statt über Wasser zu schwimmen

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Image by Rachel Forrez

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PhDr. Marja Voleman, PhD.

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