Psychomotorische Entwicklung des Kindes
- Marja Volemanová
- 3. Juli
- 17 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juli
Die Entwicklung eines Kindes muss ganzheitlich betrachtet werden. Sie betrifft nicht nur die motorischen Fähigkeiten, sondern alle Persönlichkeitsbereiche, einschließlich der sensorischen und geistigen Entwicklung. Deshalb spricht man auch von der psychomotorischen Entwicklung, also der Entwicklung des Kindes in motorischer und psychischer Hinsicht.
Es handelt sich um einen komplexen und umfassenden Prozess, der viele Komponenten umfasst, wie zum Beispiel die Grobmotorik – hierzu zählen Bewegungen wie das Umdrehen vom Bauch auf den Rücken, das Krabbeln auf allen Vieren, das Aufrichten und Gehen. Weiterhin die Feinmotorik, die vor allem die Handarbeit und den Umgang mit Spielzeug umfasst. Die psychomotorische Entwicklung schließt zudem soziale, kognitive und mentale Fähigkeiten sowie die orale Entwicklung (Nahrungsverarbeitung im Mund, Lippenbewegungen und Sprache) mit ein.
Die Geschwindigkeit und Qualität der Entwicklung psychomotorischer Fähigkeiten wird von vielen Faktoren beeinflusst – genetische und erbliche Eigenschaften können die allgemeine Kraft, Beweglichkeit und körperliche Begabung prägen. Ebenso spielen Kultur, ausreichende Bewegung und der Lebensstil eine wichtige Rolle.
Die meisten Kinder erwerben motorische Fähigkeiten in gut vorhersehbaren Phasen, sogenannten Entwicklungsmeilensteinen. Jedes Kind ist einzigartig, und es gilt natürlich auch zu berücksichtigen, ob ein Kind früh- oder termingerecht geboren wurde.
Dennoch gibt es nach dem amerikanischen Kinderarzt Arnold L. Gesell (1880–1961) einige wichtige Meilensteine, was ein Kind wann können sollte:
Die Körperkontrolle entwickelt sich vom Kopf zu den Füßen (cephalocaudale Entwicklung). Das Kind muss den Kopf richtig halten können, um die tiefen stabilisierenden Rumpfmuskeln einzusetzen – Voraussetzung für eine gute Körperhaltung und koordinierte Bewegungen.
Die Entwicklung verläuft vom Körperzentrum zur Peripherie: Die Bewegungen der Gliedmaßen beginnen in Schulter- und Hüftgelenken und setzen sich über Handgelenk bis zu den Fingern fort. Daraus folgt, dass die motorische Entwicklung von der Grob- zur Feinmotorik führt.
Die Entwicklung verläuft zudem vom Ellbogen zur Handinnenfläche (ulnar-radialer Verlauf). Kleine Kinder greifen zunächst mit der ganzen Hand (Palmargriff), bevor sich ein präziserer Griff, wie der Stiftgriff, ausbildet.
Wichtig ist nicht nur, wann ein Kind etwas beginnt, sondern vor allem, ob und wie qualitativ alle Stadien durchlaufen werden und ob keines übersprungen wird. Nachfolgend ist die Entwicklung des Kindes in Trimestern beschrieben:

Nachfolgend ist die Entwicklung des Kindes in Trimestern beschrieben:
1. Trimester (0–3 Monate)
Neugeborene schlafen den Großteil des Tages, in den ersten zwei Wochen sogar fast 20 Stunden täglich. Babys können meist nicht länger als eine Stunde am Stück wach bleiben, danach sind sie überfordert. Manche schlafen dann ein, andere wirken paradox lebhafter und finden keinen Schlaf (oft Ursache für abendliches Schreien). Bei Einschlafproblemen kann es helfen, das Kind früher schlafen zu legen, bevor es zu aktiv wird.
Etwa 70 % der 3 Monate alten und 80 % der 8 Monate alten Kinder schlafen nachts zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens.
Alle primären (frühkindliche) Reflexe sind gut auslösbar. Direkt nach der Geburt beginnt das Baby, Nahrung oral aufzunehmen. Dazu ist es mit einer Reihe von Reflexen ausgestattet, die das Nahrungsaufnahmeverhalten erleichtern. Besonders wichtig sind der Such- und Saugreflex. Spürt das Baby eine Berührung im Gesicht, dreht es den Kopf zum Berührungspunkt (Suchreflex), da es dort die Brustwarze der Mutter erwartet. Deshalb sollte man das Gesicht beim Stillen nicht berühren. Bei der Beurteilung der Reflexe ist auch die Symmetrie wichtig.
Das Kind reagiert mit Ganzkörperbewegungen auf starke akustische oder visuelle Reize – Moro-Reflex. Neugeborene zeigen globale Bewegungsmuster, bei denen Kopfposition Arme, Beine und Rumpf beeinflusst. Liegt das Kind auf dem Rücken, dreht es automatisch den Kopf zu einer Seite; auf dieser Seite streckt es Arm und Bein aus, auf der anderen Seite sind sie gebeugt (Fechterstellung). Ein gesundes Neugeborenes kann den Kopf zu beiden Seiten drehen.
Motorik
Der Muskeltonus ist bei Neugeborenen physiologisch erhöht. Im zweiten Monat sinkt er, eine physiologische Hypotonie (verminderter Muskeltonus) tritt auf und verschwindet erst zum Ende des ersten Lebensjahres.
Auf dem Rücken liegend wirkt das Baby noch instabil. Von oben betrachtet liegt es nicht gerade, sondern in einer leichten Bogenform. Manchmal führt eine Kopfdrehung auch zu einer Rumpfdrehung oder sogar zur Seitenlage. Beim Hochziehen in den Sitz fällt der Kopf nach hinten.
In den ersten drei Monaten lernt das Baby, Stabilität auf dem Rücken zu erlangen, hebt etwa mit drei Monaten zeitweise die Hände vor das Gesicht und die Füße in die Luft, ohne seitlich zu fallen. Das zeigt sich z.B. beim Windelwechsel. Anfangs löst das Hochheben der Beine den Moro-Reflex aus, nach drei Monaten bleibt das Baby ruhig liegen und kaut zufrieden an den Händen.
In Bauchlage sind die Beinchen zu Beginn unter dem Körper angewinkelt. Das Gesäß ist höher als der Kopf, und der Schwerpunkt liegt auf der Stirn. Gelegentlich hebt das Baby den Kopf asymmetrisch kurz vom Untergrund ab. Nach und nach verlagert sich der Schwerpunkt vom Kopf auf die Brust, den Bauch bis zur Symphyse (Schambein). Im dritten Monat macht das Baby die sogenannte „Pferdchenhaltung“ („pase koníčky“), stützt sich auf die Unterarme, die Beinchen sind fast gestreckt und der Kopf wird mit aufrechter Halswirbelsäule für mehrere Minuten gehalten – nicht nur in Überstreckung. Achtung: Liegt Ihr Baby im dritten Monat in Bauchlage mit den Fäusten unter der Brust und dem Kopf in Überstreckung, ist das kein korrektes Hebeverhalten!
Der Daumen der Hand ist anfangs in der Faust angewinkelt, im zweiten Monat sind die Hände bereits geöffnet, und im dritten Monat zeigen sich erste Greifansätze. Gegenstände werden von der Kleinfingerseite erfasst.
Sinne
Neugeborene verfügen überraschend über gut entwickelte sensorische Fähigkeiten, die erst in jüngerer Zeit genauer erforscht wurden. Diese helfen ihnen von den ersten Lebenstagen an, die Umgebung wahrzunehmen, sich darin zu orientieren und zu lernen, darauf zu reagieren.
Neugeborene schielen leicht, drehen sich zum Licht hin, die Augenbewegungen sind zunächst nur horizontal. Sie sehen nur auf kurze Distanz und nur größere (vor allem farbige) Gegenstände in einem Winkel von 45–60 Grad (fixieren kurz ein großes Objekt in der Sichtlinie). Die Fixation erfolgt monokular, abwechselnd mit dem rechten und linken Auge. Die Sehschärfe ist bei der Geburt gering (ca. 20/400). Neugeborene können noch nicht akkommodieren (auf unterschiedliche Entfernungen scharfstellen). Am Ende des dritten Monats zeigen sich auch vertikale Augenbewegungen, die Akkommodation und Konvergenz sind bereits besser ausgebildet. Das Kind beginnt, Objekte zu fixieren und ihnen mit dem Kopf bis zu einem Winkel von 150 Grad zu folgen. Wenn die Mutter sich über das Kind beugt, nimmt es kurz Blickkontakt auf und lächelt (reaktives soziales Lächeln).
Auf akustische Reize reagiert es je nach Stärke mit Blinzeln (akustikofazialer Reflex) oder mit einem Zucken des gesamten Körpers (Moro-Reflex – Schreckreaktion). Das Neugeborene erkennt gut menschliche Sprache, es reagiert auf weibliche Stimmen mit höheren Frequenzen aufmerksam, da es so die Nahrungsquelle erwartet. Tiefere männliche Stimmen mit tieferen Frequenzen wirken beruhigend. Lautes Schreien mit hohen Frequenzen löst beim Baby Angst aus, ähnlich wie beim Erwachsenen. Innerhalb der ersten Lebenswochen lernt das Baby, die Stimme der Mutter (die es ernährt) von anderen weiblichen Stimmen zu unterscheiden.
Neben dem gut entwickelten Gehör verfügt das Neugeborene über einen guten Geruchssinn und bereits entwickelte Geschmackspräferenzen (es bevorzugt Süßes). Der Geruchssinn hilft ihm besonders bei der Orientierung in der Umgebung. Das Baby wendet sich unangenehmen Gerüchen ab, angenehme Düfte ziehen es an. Bereits eine Woche nach der Geburt erkennt es den Geruch der mütterlichen Brustwarze. Es wurde festgestellt, dass es den Geruch der Mutter wahrnimmt, nicht nur den des Muttermilchers.
Soziale Fähigkeiten und Sprache
Mit etwa zwei Monaten beginnt das Baby lange Vokale zu „singen“ („ááá, ééé“). Hauptkommunikationsmittel ist in diesem Alter das Weinen. Das Kind lernt schnell, dass Schreien ein wirksames Mittel ist, um nicht nur Fürsorge und Schutz, sondern auch positive Aufmerksamkeit der Mutter zu erhalten. In den ersten Lebensmonaten nimmt die Schreihäufigkeit zu, erreicht bei den meisten Kindern um den zweiten Monat ihren Höhepunkt und wird ab dem dritten Monat weniger häufig und deutlich differenzierter. Im dritten Monat beginnen die Kinder auch laut zu lachen.
ACHTUNG VOR FALSCHEN „ERFOLGEN“
Wenn ein zwei Monate altes Kind sich fast vollständig auf den Bauch dreht, ist das kein Erfolg, sondern ein Warnsignal. Das Kind führt die Bewegung aufgrund erhöhten Muskeltonus durch, es überstreckt den Kopf zunächst, es entsteht meist einseitig eine erhöhte Spannung der Rückenmuskulatur, durch die das Kind verdreht wird.
Dasselbe gilt umgekehrt: Ein Kind in diesem Alter dreht sich vom Bauch auf den Rücken nicht aktiv, sondern fällt nur. Wenn es versucht, den Kopf zu drehen, handelt es sich um eine Überstreckung mit Drehung des Kopfes zur Seite. Der Kopf ist groß und schwer, sodass das Kind nach hinten kippen und auf den Rücken fallen kann.
Achten Sie gut darauf, wie das Kind in Bauchlage den Kopf hebt und wo die Hände sind. Anfangs sind die Hände vor der Brust in Fäusten, der Kopf wird nur kurz gehoben. Nach und nach lernt das Kind, die Hände weiter nach vorne zu bringen, stützt sich auf den ganzen Unterarm. Am Ende des dritten Monats bringt es die Hände noch weiter nach vorne, so dass die Ellbogen unter den Schultern sind, die Fäuste können sich entspannen und der Rücken ist gerade. Der Kopf ist dann nicht mehr nur überstreckt (mit eingesunkenem Brustbein), sondern in Verlängerung der Wirbelsäule.
ABWEICHUNGEN, DIE EINEN FACHMANN ERFORDERN
Bis sechs Wochen:
Hält den Kopf im Rückenlage dauerhaft nur auf einer Seite
Starkes Überstrecken des Kopfes
Ungleiche Armbewegungen oder ungleiches Anheben der Knie
Wenig Bewegung der Beine
Von sechs Wochen bis drei Monaten:
In Rückenlage:
Hält den Kopf überwiegend auf einer Seite
Hebt die Beine sehr wenig oder hebt ein Bein deutlich weniger hoch als das andere
Im dritten Monat steht der Kopf bei Blick nach vorne nicht in einer Linie mit der Körperachse und der Gesichtsmitte
In Bauchlage:
Ist nicht in der Lage, den Kopf zu heben
Die Ellbogen liegen nicht symmetrisch
Fällt seitlich um
Hält auch am Ende des dritten Monats die Fäuste noch unter der Brust oder den Schultern, hat keine Ellbogen unter den Schultern und die Hände sind nicht entspannt
Zweites Trimester, 4.–6. Monat
Das Kind zeigt bereits Interesse an seiner Umgebung, die es aufmerksam verfolgt und mit Lächeln oder Weinen darauf reagiert. Wenn das Baby genügend Zeit hatte, die Bauchlage zu üben, beherrscht es ab Ende der zwölften Woche allmählich die sogenannte erste Aufrichtung, das sogenannte „Pferdchenreiten“ („pase koníčky“). Im vierten Monat kommt es zu einer deutlichen Abschwächung der frühkindlichen (primären) Reflexe, außer dem reflexhaften Greifen an den unteren Extremitäten. Die Hände des Kindes sollten nun offen sein, damit die Entwicklung des freien Greifens beginnen kann.
Motorik
Das Kind ist in Rückenlage stabil (der Schwerpunkt liegt zwischen den Schulterblättern) und bewegt sich lebhaft. Es hält den Kopf in der Mittellage und dreht ihn spontan zu beiden Seiten. Dabei sind die Gliedmaßen symmetrisch positioniert (sie werden gleich gehalten, im Gegensatz zur Neugeborenen-Asymmetrie). Die Beine hebt es hoch über die Unterlage, greift sie mit den Händen und steckt sie später auch in den Mund.
Spielzeuge greift es mit beiden Händen, im sechsten Monat auch seitlich nur mit einer Hand von der Kleinfingerseite aus, also mit dem kleinen Finger und den angrenzenden Fingern. Manchmal bezieht es auch die unteren Gliedmaßen in den Griff ein (zum Beispiel beim Trinken aus der Flasche in Rückenlage). Es beginnt mit den Händen zu spielen und es zeigt sich eine Koordination von Auge, Hand und Mund. Die Hände hält es im mittleren Gesichtsfeld. Das Kind beginnt, Spielzeuge in den Mund zu stecken und von einer Hand zur anderen zu wechseln, dabei kontrolliert es die Bewegungen mit den Augen.
Beim Hochziehen in den Sitz (sog. Traktionstest, der von Kinderärzten verwendet wird, den Sie nicht üben müssen!) beginnt das Kind, den Kopf in der Körperachse zu halten, doch er fällt wiederholt nach vorne. Am Ende des vierten Monats fällt der Kopf nur noch leicht nach hinten. Im fünften Monat beginnt es, sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen. Mit sechs Monaten zieht sich das Kind selbst in den Sitz, wobei Kopf und Rumpf gleichzeitig nach vorne gebeugt werden und die Beine angezogen sind (sog. „Kugelstellung“). Das Kind setzt sich aber noch nicht selbständig hin. Wird es ohne Stütze hingesetzt, sitzt es in der Vorbeuge, in der sogenannten „Froschhaltung“. Es rollt sich vom Rücken auf die Seite und nach und nach auch auf den Bauch. Deshalb sollte das Kind nicht passiv hingesetzt werden!
Das Kind hält den Kopf bereits gestreckt in Verlängerung der Wirbelsäule außerhalb der Stützfläche, etwa in einem Winkel von 45 bis 50 Grad zur Unterlage. Es kann den Kopf für längere Zeit angehoben halten und frei in Richtung eines Motivationsreizes drehen (z. B. das Geräusch eines Rasselspiels). Die Aufrichtung des Rumpfes reicht bis zu den Schulterblättern, das Kind stützt sich dabei auf den gesamten Unterarm einschließlich der Ellbogen und hält die Hände leicht geöffnet bis offen. In dieser Position muss das Kind stabil sein und darf nicht nach hinten auf den Rücken fallen. Diese Haltung ist sehr wichtig für die weitere korrekte Entwicklung der Aufrichtung.
Mit sechs Monaten lernt das Kind, das Körpergewicht seitlich auf einen Ellbogen zu verlagern und die andere Hand zum Greifen freizugeben (das heißt, dass Kopf und Greifhand außerhalb der Stützfläche sind). Am Ende des sechsten Monats kann das Kind in den sogenannten „hohen Stütz“ kommen, das bedeutet, dass es sich mit gestreckten Armen und offenen Händen sowie aufrechtem Kopf abstützt. Zusätzlich stützt es sich auf die Oberschenkel, wodurch sich der Schwerpunkt weiter nach unten verlagert.
Große Gegenstände nimmt das sechsmonatige Kind mit dem Handballen-Griff auf, das heißt mit der ganzen Hand, vier Fingern, ohne Daumenopposition. Die Daumenopposition (Daumen Richtung Handfläche) beginnt sich allmählich im Greifen zu entwickeln. Das Kind greift Spielzeuge bereits auch über die Körpermitte hinweg. Es schlägt mit dem Spielzeug auf die Unterlage.
Sinne
Das Kind nimmt kleinere Gegenstände im Gesichtsfeld in einem Winkel von 180 Grad wahr. Es nimmt Farben besser wahr, bevorzugt die Farbe Rot, was gleichzeitig eine aktivierende Wirkung auf zahlreiche Gehirnzentren hat und die Entwicklung fördert. Bewegte optische Reize können das sechsmonatige Kind schon mehrere Minuten fesseln, ohne dass eine deutliche Ermüdung der Augenmuskeln eintritt. Die Fixation ist bereits binokular. Bis zum sechsten Monat ist es noch normal, dass die Augen gelegentlich abwechselnd nach innen schielen. Wenn dies jedoch nach dem sechsten Monat noch anhält, sollte das Kind einem Augenarzt vorgestellt werden. Das Kind richtet seine Aufmerksamkeit zunehmend auf akustische Reize und reagiert auch auf leise Geräusche.
Soziale Fähigkeiten und Sprache
Es lächelt im Spiegelbild. Das Kind beginnt zu brummen (kehlige Laute) und zu rufen („a-a-a“, „e-e-e“). Es plappert allmählich unverständlich „Eigenlaute“, die der Aktivierung der Hör- und Sprachzentren dienen. Mit der Stimme kann es bereits seine Gefühle gut ausdrücken; auch seine Unzufriedenheit zeigt es anders als durch Weinen. Das Kind beginnt, fremde Personen zu unterscheiden, vor denen es Angst hat.
ACHTUNG VOR FALSCHEN „ERFOLGEN“
Geben Sie Kindern keine Lauflernhilfen oder Gehfrei. Es kommt häufig vor, dass Kinder, die in Gehfrei gesetzt werden, obwohl sie noch nicht selbständig krabbeln oder laufen können, beginnen, auf den Zehenspitzen zu laufen. Diese Kinder haben sehr oft Probleme in der Schule beim Lesen und Schreiben, oft ist auch Hyperaktivität typisch. Generell sind Lauflernhilfen und Gehfrei nicht geeignet, weil das Muskelkorsett des Rumpfes noch nicht auf diese Belastung vorbereitet ist.
ABWEICHUNGEN, DIE EINEN FACHMANN ERFORDERN
Wenn Sie beobachten, dass das Kind eine Hand deutlich weniger bewegt oder nur die Finger eines Fußes greift
Wenn es sich nur auf eine Seite dreht
Wenn es sich nicht allmählich auf ausgestreckte Arme stützt
Drittes Trimester, 7.–9. Monat
Ein sieben Monate altes Kind dreht sich bereits vom Bauch auf den Rücken und erkundet seine angehobenen Füße. Es spielt auch gleichzeitig mit zwei Spielzeugen. Nach und nach beginnt es aktiv zu krabbeln und ist nur noch einen Schritt vom Vierfüßlerstand entfernt.
Motorik
Im siebten Monat spielt das Kind mit den Füßen, manchmal steckt es sie auch in den Mund (Koordination Hand–Fuß–Mund–Auge) und wird sicherer in der Seitenlage. Auf dem Bauch macht das Kind das sogenannte „Flugzeug“, das heißt, es hebt die Hände, den Kopf und die Beine nach oben. Es dreht sich um die eigene Achse, später rollt es vorwärts und rückwärts – koordiniert dreht es sich vom Bauch auf den Rücken über eine sichere Seitenlage, danach weiter über die andere Seite wieder zurück auf den Bauch.
Es beginnt zu krabbeln – zunächst rückwärts, später vorwärts mit abwechselndem Einsatz der oberen und unteren Extremitäten. Nach und nach nimmt es den Vierfüßlerstand ein, in dem es schaukelt (für etwa 2–3 Wochen). Vom Vierfüßlerstand aus kann es dann versuchen, in den sogenannten schrägen Sitz zu kommen. Beim Sitzen hält es sich passiv, das heißt es kann sich selbst noch nicht aktiv setzen. Das Kind beginnt, sich etwa im achten Monat durch schräges Sitzen selbst aufzusetzen. Es hält sein Körpergewicht, wenn es an beiden Händen gehalten wird.
Im neunten Monat hält das Kind die Rückenlage nicht mehr lange, dreht sich sofort auf den Bauch, nimmt den Vierfüßlerstand ein, sitzt und versucht aufzustehen. Es setzt sich selbstständig, der Sitz ist sicher. Es kann die Hände für andere Tätigkeiten lösen als nur zur Stütze. Der Sitz ist auf verschiedene Arten möglich: vom Vierfüßlerstand durch Gewichtsverlagerung nach hinten oder über den schrägen Sitz, aus der Bauchlage, aus dem Stehen (dieser Sitz ist meist noch instabil) und die ausgereifteste Form ist das selbstständige Aufsetzen aus der Rückenlage. Je nach Sitzform unterscheidet man schrägen Sitz, Hindernsitz, Sitz auf den Fersen, „türkischen“ Sitz und geraden Sitz. Im achten Monat hält das Kind etwa 10 Minuten im Sitzen aus. Das Krabbeln ist sicher und koordiniert (gestützt auf Handflächen, Knie und Fußrücken, beim Krabbeln werden die Extremitäten diagonal eingesetzt). Im achten Monat kann sich das Kind an einer Stütze in den aufrechten Kniestand bringen. Es steht, wenn es sich z. B. am Laufgitter festhält.
Feinmotorik
Der Greifreflex verbessert sich deutlich und wandert zum Daumen. Das Kind beginnt, sich für Details und kleine Gegenstände zu interessieren. Nach einer Kugel greift es bereits gezielt. Es greift gezielt Objekte von oben über dem Kopf, wobei der Arm gehoben werden muss. Im achten Monat spielt es gerne mit Gegenständen, legt sie ineinander oder stapelt sie, wirft sie. Noch kann es Objekte nicht gezielt ablegen. Es sammelt Krümel vom Teppich, greift eine Kugel, klopft Klötze aneinander, nimmt einen Würfel aus einem Becher. Es hält selbst die Flasche, kann eine Semmel oder einen Keks greifen und beginnt zu essen.
Im neunten Monat beginnt das Kind, kleine Gegenstände mit Daumen und Zeigefinger zu greifen, wobei der Daumen opponierend ist – der sogenannte „untere Zangengriff“. Es erkundet den Raum und lässt Gegenstände aktiv und gezielt aus der Hand fallen (wirft Spielzeug, zieht Gegenstände aus Schubladen etc.). Es nimmt Gegenstände meist nur mit einer Hand.
Soziale Fähigkeiten und Sprache
Das Kind spricht Silben aus und beginnt diese zu verdoppeln. Im achten Monat wiederholt es Silben („ta-ta“, „ba-ba“, „ma-ma“ usw.), imitiert Geräusche (z. B. Husten) und Gesten. Es beginnt Sprache zu verstehen – es dreht sich beim Ruf seines Namens um. Die Mimik ist bereits reichlich entwickelt.
Es beginnt die Phase der ersten Trennung, das heißt, es entfernt sich kurzzeitig beim Krabbeln oder Gehen von der Mutter, kehrt aber bald zurück. Gleichzeitig erlebt es Angst, wenn es die Mutter nicht sieht oder hört. In dieser Phase hat das Kind eine ausgeprägte Fixierung auf die Mutter oder Bezugsperson und ist Fremden gegenüber weniger freundlich.
Das Kind lernt, dass viele Dinge existieren, auch wenn es sie gerade nicht sehen kann. Es beginnt, einen heruntergefallenen Gegenstand zu suchen, verliert ihn meist kurz aus den Augen, beugt dann Kopf und Rumpf vor und sucht am Boden. Es beginnt auch, die Funktion mancher Gegenstände zu verstehen, zum Beispiel, dass man sich mit einem Kamm die Haare kämmt oder dass man Seiten in einem Buch umblättert. Im neunten Monat kann bereits das erste bedeutungsvolle Wort erscheinen. Es versteht Zusammenhänge und führt auf Aufforderung erste kindliche Spiele aus (z. B. „Klatsch-Hand“, „Tschüss“ etc.). Es isst selbständig einen Keks oder eine Semmel.
ACHTUNG VOR FALSCHEN „ERFOLGEN“
Wenn ein Kind bereits mit zehn Monaten läuft, ist das ein Warnsignal. Wahrscheinlich hat es einige Entwicklungsphasen übersprungen, meist die Phase des Krabbelns. Wenn das Kind noch einen ausgeprägten symmetrischen tonischen Nackenreflex oder tonischen Labyrinthreflex hat, kann es die abwechselnden Bewegungen von Armen und Beinen nicht gut ausführen. Daher ist es für das Kind einfacher, aufzustehen und in kleinen Schritten zu laufen (ohne viel Bewegung in Hüfte und Knie, die Arme sind vorangestreckt und bewegen sich nicht).
Achten Sie darauf, wie das Kind krabbelt. Es sollte koordiniert im Kreuzmuster krabbeln (rechte Hand und linkes Knie, linke Hand und rechtes Knie), mit Händen und Knien schulterbreit, die Zehen leicht nach innen gedreht. Kinder mit zu niedrigem Muskeltonus und schwachem Bauch (bedingt durch persistierende primäre Reflexe oder andere Ursachen) krabbeln mit durchgebogenem Rücken, mit herausgestrecktem Po, mit Armen und Beinen in breiter Basis und mit nach außen gedrehten Zehen.
Manchmal tritt auch ein homolaterales (einseitiges) Bewegungsmuster auf, das heißt rechte Hand und Knie, dann linke Hand und Knie.
Achten Sie auf die sogenannte „W-Sitz“-Position. Kinder mit niedrigem Muskeltonus, verzögerter Grobmotorik oder schwachem Bauch sitzen oft so, dass ihr Po zwischen den Fersen ist (von oben betrachtet bilden die Beine ein großes „W“), mit nach außen gedrehten Fußspitzen und nach innen gedrehten Fersen. Damit schaffen sie eine breitere Basis und sind so stabiler. Andererseits hat der Rumpf nicht genug Bewegungsfreiheit. Das Kind hat weniger Rotation im Rumpf, erreicht nicht die Körpermitte und das beeinträchtigt die Zusammenarbeit der Gehirnhälften. Kinder mit normalem Muskeltonus sitzen auf den Fersen mit nach innen gedrehten Zehen. Wenn Sie unkoordinierte Krabbelbewegungen oder Sitzpositionen beobachten, zögern Sie nicht, einen Physiotherapeuten zu konsultieren.
ABWEICHUNGEN, DIE EINEN FACHMANN ERFORDERN
Wenn das Kind beide Füße nicht greift (immer nur einen oder gar keinen)
Wenn nach dem Drehen der untere Arm unter dem Körper bleibt
Wenn es sich immer nur mit einem Arm zieht oder immer dasselbe Bein anzieht (das heißt, es zieht sich immer nur mit z. B. der rechten oder der linken Hand). Wenn das Kind den Rumpf mit einer Hand zieht, die regelmäßig mit der anderen Hand wechselt, handelt es sich um sogenanntes „Schleichen“ (Tulenversion), was in Ordnung ist. Bei einem gesunden Kind dauert diese Phase nur kurz.
Wenn es sich beim Krabbeln mit beiden Händen gleichzeitig zieht und die Beine gestreckt sind
Wenn es in den Vierfüßlerstand kommt, aber immer zur gleichen Seite fällt
Viertes Trimester, 10. – 12. Monat
Ab dem zehnten Lebensmonat verlangsamt sich die Entwicklung etwas. Der Körper bereitet sich physisch und psychisch auf die ersten Schritte und das eigenständige Gehen vor. Für die Eltern ist es in dieser Phase wichtig, alle gefährlichen Gegenstände außer Reichweite des Kindes zu entfernen, mit denen es sich verletzen könnte. Aus dem Säugling wird bald ein Kleinkind. Ein einjähriges Kind ist sehr selbstständig, erkundet neugierig seine Umgebung und hilft und räumt gerne mit auf. Es entdeckt die Welt und es kommt häufig vor, dass es hinfällt oder sich stößt. In solchen Fällen sollte die liebevolle Umarmung der Eltern da sein, die das Kind tröstet und die Verletzung versorgt, damit es wieder selbstbewusst die Welt entdecken kann und weiß, dass es sich bei einem Unfall auch zurückziehen und weinen darf.
Motorik
Das Kind stellt sich an Möbeln auf und beginnt, mit Seitwärtsschritten, an beiden Händen gehalten, um die Möbel herumzugehen. Es wechselt zwischen Sitzen und Krabbeln. Nach und nach steht das Kind mit der ganzen Fußsohle auf und kann im Stand einen Arm für andere Tätigkeiten lösen. Es wird immer geschickter und klettert schnell Treppen hoch oder auf Möbel. Der Sitz ist stabil mit einer ausgeglichenen Lendenwirbelsäule. Erste selbstständige Schritte erscheinen meist zwischen dem 12. und 15. Monat, bis zum 18. Monat ist das normal. Es handelt sich um einen primitiven, unreifen Gehstil (Typ 1): Die oberen Extremitäten dienen dem Gleichgewicht, das Bein schwingt beim Auftreten nicht durch, sondern wird in Hüft- und Kniegelenk gebeugt, die Fußspitzen sind leicht nach innen gerichtet, die Belastung erfolgt auf der ganzen Fußsohle. Die Bewegungen der Gliedmaßen sind nicht koordiniert, die Schritte sind kurz (kürzer als die Fußlänge). Das Gehen ist instabil, Stürze sind häufig. Das Kind kann in die Hocke gehen, dabei ist die Belastung auf Fersen und Außenseiten der Füße.
Feinmotorik
Das Kind kann bereits selbstständig mit dem Löffel essen und aus einem Becher trinken. Es greift eine Kugel mit Opposition von Daumen und Zeigefinger und lässt sie spontan los. Es kann eine Kugel in einen Becher legen. Die Funktion der oberen Extremität ändert sich endgültig von der Stützfunktion zur Greiffunktion.
Soziale Fähigkeiten und Sprache
Im zehnten Monat spricht das Kind bereits ein bis zwei bedeutungsvolle Wörter und verwendet Jargon (betonte Silben). Es versteht einfache Aufforderungen und führt Bewegungen auf Zuruf aus. Auf den Befehl „Gib mir“ reicht es zwar einen Gegenstand, lässt ihn aber nicht los. Es legt einen Baustein in einen Becher, hält ihn aber fest.
Das Lachen wird zunehmend hörbar. Kinder beginnen, Humor und Spaß zu verstehen. Ihre Freude zeigen sie durch Lächeln, Kreischen oder lautes, kehliges Lachen. Sie lernen Kinderreime („paci paci“, „pá-pá“, „tik-ťak“ usw.), entdecken versteckte Spielzeuge. Sie trinken mit Unterstützung aus einem Becher und beginnen beim Anziehen mitzuwirken (heben Beine und Arme).
Im ersten Lebensjahr benutzt das Kind zwei oder mehr sinnvolle Wörter. Es versteht einfache Befehle und Fragen (sucht mit den Augen nach Gegenständen, reagiert auf Ansprache, spielt einfache Spiele). Es zeigt seine Wünsche, beginnt, an kooperativen Spielen teilzunehmen (z.B. Ballspiele). Es interessiert sich für Bilder in Büchern. Das Kind gibt Küsse, schämt sich. Seine Wünsche äußert es durch Gesten. Es umsorgt Puppen oder Kuscheltiere.
Aus entwicklungsspezifischer Sicht spricht man bis zum ersten Jahr von physiologischer Sprachlosigkeit. Eine verlängerte physiologische Sprachlosigkeit (weiter gefasste Norm) gilt bis zum dritten Lebensjahr. Bis dahin müssen keine Sorgen bestehen, wenn das Kind noch nicht spricht (solange es Laute macht und auf Ansprache reagiert). Fehlen Sehstörungen, Hörprobleme, Beeinträchtigungen der Sprechorgane oder der Intelligenz und ist das Kind in der Familie gut stimuliert, kann es sich um eine langsamere Reifung handeln, die den Rückstand mit der Zeit aufholt.
Abweichungen, die einen Fachmann erfordern
Wenn das Kind nicht krabbelt
Wenn das Kind die Krabbelphase überspringt und sofort auf die Beine kommt
Wenn das Krabbeln unregelmäßig oder nicht im Kreuzmuster erfolgt
Wenn es vom Krabbeln nicht in den Sitz übergeht
Wenn es beim Aufstehen immer an einer Hand gezogen wird und nur mit einem Bein einen Schritt macht, das andere Bein nur hinterherzieht
Wenn es keinen aufrechten Kniestand (Kniesitz) halten kann
Autorin des Artikels: PhDr. Marja Voleman, PhD.
Datum der Veröffentlichung (auf Tschechisch): 27.4.2022
Datum der Veröffentlichung (der deutschen Übersetzung) : 3.7.2025
Hauptquellen:
Hudák, Radovan; Volný Ondřej; Kachlík David (2019). Memorix anatomie. Praha: Triton. ISBN 978-80-7553-420-0
Volemanová, Marja. 2019. Primární reflexy, opomíjený faktor problémů učení a chování u dětí. 2. rozšířené vydání. Statenice : INVTS, 2019. 978-80-907369-0-0
Langmeier, Josef; Krejčířová, Dana (2006). Vývojová psychologie, 2. aktualizované vydání. Praha: Grada. ISBN 978-80-247-1284-0
Velemínský, Miloš (2017). Dítě od početí do puberty. Praha: Triton. ISBN 978-80-7553-148-3
Kleplová, Věra; Pilná, Dobromila (2007).Našemu sluníčku. Praha: Anag. ISBN 978-80-7263-357-9
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