Dyspraxie
- Adam Klatovský
- 6. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Dyspraxie ist eine spezifische Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen, definiert als Beeinträchtigung oder Unreife in der Planung und Organisation von Bewegungen. Dyspraxie betrifft auch Kinder mit überdurchschnittlicher Intelligenz.
Die Störung wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der medizinischen Fachliteratur beschrieben, zunächst als „kongenitale Ungeschicklichkeit“. Später wurde Dyspraxie 1947 im The American Illustrated Medical Dictionary als „teilweiser Verlust der Fähigkeit zur Ausführung koordinierter Bewegungen“ definiert. In der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) ist sie unter dem Begriff spezifische Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen gelistet.
Ein Kind mit Dyspraxie zeigt eine Diskrepanz zwischen seinen motorischen Fähigkeiten und dem Alter. Es erwirbt komplexe Bewegungsfähigkeiten nur schwer, seine Grobmotorik ist verzögert (insbesondere in Bezug auf die Nachahmung gezeigter Bewegungen), und es hat später Schwierigkeiten mit Aufgaben, die feinmotorische Fähigkeiten erfordern.
Dyspraxie ist keine Störung der Gelenkbeweglichkeit. Ihre Ursache liegt in einer Beeinträchtigung der Körperwahrnehmung (body map) sowie in der Verarbeitung kinästhetischer, taktiler und vestibulärer Reize. Die grobmotorische Entwicklung ist verzögert, und das Kind hat Schwierigkeiten bei der Nachahmung gesehener Bewegungen. Grobmotorik umfasst Bewegungen des ganzen Körpers, großer Muskelgruppen, z. B. Gehen, Treppensteigen im Wechselschritt, Laufen, Springen, Schwimmen usw. Danach fällt es dem Kind schwer, feinmotorische Aufgaben zu bewältigen, wie z. B. Schreiben, Nähen, Knöpfe zumachen, Schuhe binden, Ballspiele (mit Händen oder Füßen).
Kinder mit Dyspraxie haben häufig Schwierigkeiten, selbstständig mit dem Löffel zu essen, deutlich zu sprechen, sich anzuziehen oder Fahrrad zu fahren. Sie leiden unter Gefühlen der Minderwertigkeit. Da die motorische Ungeschicklichkeit und Koordinationsprobleme bis ins Erwachsenenalter anhalten, kann eine nicht erkannte Störung das gesamte Leben negativ beeinflussen.
Kinder mit dieser Störung werden oft als ungeschickt oder tollpatschig bezeichnet (Zelinková, 2007). A. Kirby fasst die Erkenntnisse zur Dyspraxie wie folgt zusammen: Dyspraxie ist keine Krankheit, sondern eine Gruppe von Symptomen ohne einheitliche Ursache. Es gibt keine bekannten genetischen Ursachen, und neurologische Untersuchungen zeigen keine signifikanten Auffälligkeiten. Häufige Merkmale sind Muskelschwäche und verringerter Muskeltonus, oft begleitet von übermäßiger Beweglichkeit und Flexibilität (Kirby, 2000).
Bei Kindern im Alter von 0–3 Jahren äußert sich Dyspraxie durch Hyperaktivität, Schlafstörungen und Probleme bei der Nahrungsaufnahme. Oft überspringen diese Kinder die Krabbelphase, lernen später zu sitzen und zu gehen, und auch die Sprachentwicklung ist verzögert (bei ca. 70 % der Betroffenen).
Ein weiteres auffälliges Merkmal in der frühen Entwicklung ist das Essen. Der Saugreflex ist oft geschwächt, Stillen gelingt nicht gut. Beim Essen kommt es zu Würgereiz oder Verschlucken. Das Kind bevorzugt breiige oder flüssige Nahrung. Die selbstständige Nahrungsaufnahme ist durch eine schlechte Hand-Mund-Koordination erschwert – das Kind kann sich nicht gut selbst füttern, verschüttet Flüssigkeit oder krümelt stark.
Die Sprachentwicklung ist ein weiteres frühes Warnsignal. Eltern bemerken, dass das Kind nicht mit den Sprechorganen experimentiert, reflexhaftes und nachahmendes Lallen tritt verspätet auf. Die Sprachverzögerung resultiert aus Schwierigkeiten in der Ausführung und Koordination der Bewegungen von Lippen, Zunge, weichem Gaumen und Kiefer.
Spätere Auffälligkeiten bei Kindern mit Dyspraxie:
Grobmotorik: Schwierigkeiten mit Ganzkörperbewegungen und Koordination beim Gehen, Laufen, Springen, Ballspielen, Fahrrad- oder Rollerfahren.
Feinmotorik: Probleme bei Brettspielen, Werkzeugbenutzung (Hammer, Zange, Schere), freiem Zeichnen oder beim Nachzeichnen einfacher Formen.
Sprache: Auffälligkeiten in Artikulation und Sprachverständnis.
Selbstversorgung: Probleme beim Essen, Anziehen.
Soziales Verhalten: Schwierigkeiten im Kontakt mit Gleichaltrigen und Erwachsenen.
Quelle: (Zelinková, 2007)
Primärreflexe und Dyspraxie
Dyspraxie-Symptome können auch durch persistierende Primärreflexe verursacht oder verschärft werden.
Tonischer Labyrinthreflex (TLR):
Verursacht:
schlechtere Grobmotorik
veränderten Muskeltonus (häufig Hypotonie) und Gleichgewichtsprobleme – das Kind kann nicht ruhig stehen
Probleme beim Fokussieren auf nahe Objekte und beim Verfolgen bewegter Objekte mit den Augen (z. B. Schwierigkeiten beim Ballspielen)
das Kind wirkt ungeschickt und langsam
Fehleinschätzungen von Entfernungen – häufiges Anstoßen, Stolpern
Schwierigkeiten, den Oberkörper beim Lesen und Schreiben gerade zu halten – stützt den Kopf ab oder legt ihn auf den Tisch
verstärkten Druck beim Schreiben – führt zu zerdrücktem Papier oder abgebrochenen Stiftspitzen
Symmetrischer tonischer Nackenreflex (STNR):
Verursacht:
Probleme mit Gleichgewicht und Auge-Hand-Koordination
Schwierigkeiten, ruhig und aufrecht zu sitzen – beim Neigen des Kopfes nach unten (z. B. beim Lesen) beugt sich der Oberkörper, Arme ziehen sich an, Beine strecken sich
unruhiges Sitzverhalten – das Kind schlingt die Beine um Stuhlbeine, sitzt auf den Füßen usw.
häufiges Schaukeln auf den hinteren Stuhlbeinen
Moro-Reflex:
Verursacht:
unwillkürliche Bewegungen von Armen und Beinen sowie Überstreckung bei Kopfbewegungen oder plötzlichen Reizen
erhöhte Reizempfindlichkeit für visuelle und auditive Reize
Schwierigkeiten beim Fangen eines Balls – durch Probleme mit Fokussierung, Aufmerksamkeit und übermäßige Reaktion auf Reize
das Kind dreht den Blick vom Ball weg oder schließt sogar die Augen – vermeidet so die Moro-Reaktion
Such- und Saugreflex & Babkin-Reflex (Hand-Mund-Reflex):
Verursacht:
Mundbewegungen bei Handaktivitäten – z. B. Saugen beim Schreiben oder Herausstrecken der Zunge beim Nähen
häufiges Lecken der Lippen – führt zu Rötung, Trockenheit, übermäßigem Speichelfluss, Schmatzen, Spucken
beeinträchtigte Artikulation und erschwerte Koordination von Atmung und Sprechen oder Essen
Asymmetrischer tonischer Nackenreflex (ATNR):
Verursacht:
erhöhten Muskeltonus im Nacken und gestörte Armbewegungen sowie Auge-Hand-Koordination
eingeschränkte Feinmotorik
Probleme, beide Körperhälften gleichzeitig zu bewegen – z. B. gleichzeitiges Benutzen von Gabel und Messer
verkrampftes Halten des Stifts
Schwierigkeiten beim Abschreiben von der Tafel oder beim Ballspiel
gestörte Zusammenarbeit der Gehirnhälften – erhöhten Energieverbrauch im Gehirn, schnellere Erschöpfung
Autorin: PhDr. Marja Voleman, PhD.
Veröffentlichungsdatum (Original): 27. 4. 2022
Datum der deutschen Übersetzung: 6. 7. 2025
Verwendete Quellen:
Kirby, A. (2000). Nešikovné dítě. Praha: Portál.
Volemanová, M (2019). Přetrvávající primární reflexy, opomíjený faktor problémů učení a chování. Statenice: INVTS.
Zelinková, O. (2007). Dyspraxie. Pedagogika roč. LVII.
Kommentare